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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2118/05 -
- 2 BvR 2127/05 -
- 2 BvR 2128/05 -
- 2 BvR 2178/05 -
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
1) | der Frau P ..., |
- Beschwerdeführerin zu 1) -, |
Holstenstraße 194c, 22765 Hamburg –
gegen a) | den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. November 2005 - 10 T 34/05 -, |
b) | den Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 24. Februar 2005 - 39 XIV 898/01 L -, |
c) | den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2004 - 16 W 148/04 -, |
d) | die polizeiliche Freiheitsentziehung durch die Landespolizei Niedersachsen am 13. November 2001, gegen 23.20 Uhr südlich von Laase, Landkreis Lüchow-Dannenberg, mit Verbringung nach Neu-Tramm bei Dannenberg bis zum 14. November 2001, ca. 8.00 Uhr - |
- 2 BvR 2118/05 -
2) | des Herrn H ..., |
- Beschwerdeführer zu 2) -, |
Holstenstraße 194c, 22765 Hamburg –
gegen a) | den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. November 2005 - 10 T 33/05 -, |
b) | den Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 24. Februar 2005 - 39 XIV 896/01 L -, |
c) | den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 12. November 2004 - 16 W 186/04 -, |
d) | die Freiheitsentziehung am 13. November 2001 |
- 2 BvR 2127/05 –
3) | des Herrn B ..., |
- Beschwerdeführer zu 3) -, |
Holstenstraße 194c, 22765 Hamburg –
gegen a) | den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. November 2005 - 10 T 32/05 -, |
b) | den Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 24. Februar 2005 - 39 XIV 897/01 L -, |
c) | den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2004 - 16 W 188/04 -, |
d) | die Freiheitsentziehung am 13. November 2001 |
- 2 BvR 2128/05 –
4) | der Frau G ..., |
- Beschwerdeführerin zu 4) -, |
Holstenstraße 194c, 22765 Hamburg -
gegen a) | den Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. November 2005 - 10 T 105/04 -, |
b) | den Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 16. November 2004 - 39 XIV 899/01 L -, |
c) | die polizeiliche Freiheitsentziehung durch die Landes polizei Niedersachsen vom 13. November 2001 gegen 23.20 Uhr südlich von Laase, Landkreis Lüchow-Dannenberg, mit Verbringung nach Neu-Tramm bei Dannenberg bis zum 14. November 2001, ca. 8.30 Uhr |
- 2 BvR 2178/05 -
und | Festsetzung des Gegenstandswertes |
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
durch den Richter Broß,
die Richterin Lübbe-Wolff
und den Richter Gerhardt
gemäß § 93c in Verbindung mit §§ 93a, 93b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 2. Juni 2006 einstimmig beschlossen:
I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. November 2005 - 10 T 34/05 -, der Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 24. Februar 2005 - 39 XIV 898/01 L – und der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2004 - 16 W 148/04 -, verletzen die Beschwerdeführerin zu 1) in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 2 des Grundgesetzes und in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
III. Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. November 2005 - 10 T 33/05 -, der Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 24. Februar 2005 - 39 XIV 896/01 L - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 12. November 2004 - 16 W 186/04 -, verletzen den Beschwerdeführer zu 2) in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 2 des Grundgesetzes und in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
IV. Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. November 2005 - 10 T 32/05 -, der Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 24. Februar 2005 - 39 XIV 897/01 L - und der Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 21. Dezember 2004 - 16 W 188/04 -, verletzen den Beschwerdeführer zu 3) in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 2 des Grundgesetzes und in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
V. Der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 8. November 2005 - 1.0 T 105/04 - und der Beschluss des Amtsgerichts Dannenberg vom 16. November 2004 - 39 XIV 899/01 L - verletzen die Beschwerdeführerin zu 4) in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 2 des Grundgesetzes und in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes.
VI. Die Beschlüsse des Landgerichts Lüneburg werden aufgehoben. Die Sachen werden an das Landgericht zurückverwiesen.
VII. Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
VIII. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird in jedem der Verfassungsbeschwerde-Verfahren auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
Gründe:
A.
Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Verfassungsbeschwerden gegen freiheitsentziehende Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Sitzblockade.
I.
1. a) Auf der L 256 wurde am 13. November 2001 um 15.30 Uhr hinter dem südlichen Ortsausgang von Laase in Richtung Gorleben durch etwa 200 Personen eine Sitzblockade gegen den bevorstehenden Transport von Castor-Behältern errichtet. Die L 256 stellt in diesem Bereich die Hauptroute für den Castor-Transport dar. Aufgrund Allgemeinverfügung der Bezirksregierung Lüneburg vom 27. Oktober 2001, geändert durch Allgemeinverfügung vom 31. Oktober 2001, bestand für den Bereich der Fahrbahn nebst den beidseitigen Randstreifen bis zu 50 m ein allgemeines Versammlungsverbot. Die Sitzblockade war nach den Feststellungen des Landgerichts Lüneburg um 16.02 Uhr über Lautsprecherdurchsagen aufgelöst worden. Um 16.35 Uhr begannen die Polizeikräfte die Straße zu räumen. Die Räumung der L 256 erforderte einfache körperliche Gewalt in Form des Wegführens oder Wegtragens und dauerte bis in die frühen Morgenstunden des 14. November 2001.
b) Die Beschwerdeführer gehörten zu einer Gruppe von mehreren Personen, die am 13. November 2001 gegen 23.18 Uhr in einem lockeren Verbund auf Motorrädern südlich der L 256 aus einem Waldgebiet kommend in Richtung Laase fahrend von Polizeibeamten angetroffen wurden. Auf den Motorrädern wurden Decken, Zelte, Schlafsäcke und andere Camping-Utensilien mitgeführt. Die Beschwerdeführer wurden um 23.28 Uhr in Gewahrsam genommen. Die Aufnahme in der Gefangenensammelstelle Neu-Tramm erfolgte am nächsten Morgen um 5.35 Uhr.
Nachdem der Castor-Transport um 7.09 Uhr in Gorleben eingetroffen war, wurde die Entlassung sämtlicher in Gewahrsam genommener Personen angeordnet. Die Entlassung aus dem Gewahrsam erfolgte bezüglich der Beschwerdeführerin zu 1) um 8.02 Uhr, der Beschwerdeführer zu 2) und 3) um 7.30 Uhr und der Beschwerdeführerin zu 4) um 8.17 Uhr.
2. Die Beschwerdeführer beantragten im November 2001 beim Amtsgericht Dannenberg festzustellen, dass die Freiheitsentziehung dem Grunde nach, der Dauer nach und wegen der Behandlung während der Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei.
a) Das Amtsgericht Dannenberg stellte auf den Antrag des Beschwerdeführers zu 3) mit Beschluss vom 1. April 2004 fest, dass die Freiheitsentziehung rechtswidrig gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Ingewahrsamnahme hätten nicht vorgelegen, weil keine zwingenden Indizien für die Absicht der Beschwerdeführer vorgelegen hätten, an der Demonstration teil zunehmen.
Den Anträgen der Beschwerdeführer zu 1), 2) und 4) gab das Amtsgericht Dannenberg mit einer inhaltsgleichen Begründung mit Beschlüssen vom 17. Juni 2004 statt.
b) Auf die Beschwerde der Bezirksregierung Lüneburg hob das Landgericht Lüneburg in dem von der Beschwerdeführerin zu 1) betriebenen Verfahren den amtsgerichtlichen Beschluss am 20. August 2004 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachgekommen sei; vor allem fehle es an der persönlichen Anhörung der Beschwerdeführerin.
In den von den Beschwerdeführern zu 2) bis 4) betriebenen Verfahren hob das Landgericht Lüneburg mit Beschlüssen vom 27. September 2004 ebenfalls die von der Bezirksregierung Lüneburg angefochtenen amtsgerichtlichen Beschlüsse auf und verwies die Sachen an das Amtsgericht mit einer nahezu inhaltsgleichen Begründung zurück.
c) Das Oberlandesgericht Celle wies mit Beschluss vom 12. November 2004 die zugelassene weitere Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2) zurück. In den Gründen führte es aus, dass es eine Reihe von Anhaltspunkten gebe, die auf die Absicht des Beschwerdeführers schließen ließen, an der Demonstration teilzunehmen. Entscheidend sei hier allein eine ex-ante Betrachtung. Auch könne eine persönliche Anhörung des Beschwerdeführers durchaus als entbehrlich angesehen werden. Zudem seien vorhersehbare Unannehmlichkeiten nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zu begründen.
Die von den Beschwerdeführern zu 1) und 3) erhobene weitere Beschwerde wies das Oberlandesgericht Celle mit Beschlüssen vom 21. Dezember 2004 und nahezu inhaltsgleichen Begründungen zurück.
d) Das Amtsgericht Dannenberg wies mit Beschluss vom 16. November 2004 die Feststellungsanträge der Beschwerdeführerin zu 4) zurück. Es griff die Erwägungen des Oberlandesgerichts auf und sah die Voraussetzungen einer Ingewahrsamnahme nach § 18 NGefAG als gegeben an.
In den Gründen führte es aus, dass es eine Reihe von Anhaltspunkten gebe, die auf die Absicht der Beschwerdeführerin schließen ließen, an der Demonstration teilzunehmen. Entscheidend sei hier allein eine ex-ante Betrachtung aus Sicht der Polizei, so dass eine persönliche Anhörung der Beschwerdeführerin durchaus als entbehrlich angesehen werden könne. Zudem seien vorhersehbare Unannehmlichkeiten nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme zu begründen. Die Frage eines Verstoßes gegen das Gebot der Herbeiführung einer unverzüglichen richterlichen Entscheidung könne dahingestellt bleiben. In Anbetracht der Tatsache, dass die Ingewahrsamnahme nur gut acht Stunden gedauert und diese zur Nachtzeit stattgefunden habe, könne die Frage nach einer möglichen Verletzung des Unverzüglichkeitsgebots nicht positiv ausgehen. Zu berücksichtigen sei der unvermeidliche Aufwand für die Personalienfeststellung, die körperliche Durchsuchung, den Transport bis hin zur Aufnahme in der Gefangenensammelstelle. Eine richterliche Entscheidung hätte damit frühestens mitten in der Nacht beantragt werden können. Zu dieser Zeit sei das Amtsgericht nicht besetzt gewesen. Als die Richter in den frühen Morgenstunden ihren Dienst wieder aufgenommen hätten, sei schon die Freilassung aller Gefangenen angeordnet gewesen. In Bezug auf die Zulässigkeit der Art und Weise der Unterbringung sei festzustellen, dass die Polizei die Rahmenvorgaben der Polizeigewahrsamsordnung eingehalten habe. Die relative Kürze des eigentlichen Aufenthalts im Polizeigewahrsam gebiete weder die Vorhaltung umfassender Verpflegung noch die Vorhaltung eines sonst aufwendigen Begleitprogramms. Die Räume seien beheizt gewesen. Ebenso hätten Iso-Matten und Decken bereit gestanden. Auch habe die Beschwerdeführerin Gelegenheit gehabt, zu telefonieren.
Mit nahezu inhaltsgleichen Beschlüssen wies das Amtsgericht Dannenberg am 24. Februar 2005 die Feststellungsanträge der Beschwerdeführer zu 1) bis 3) zurück.
e) Das Landgericht Lüneburg wies mit Beschlüssen vom 8. November 2005 die hiergegen gerichteten Beschwerden der Beschwerdeführer zu 1) bis 4) auf der Grundlage einer Beweisaufnahme, in der es die Beschwerdeführer persönlich angehört hatte, zurück.
In den Gründen wird jeweils ausgeführt, es stehe zur Überzeugung der Kammer unter Berücksichtigung der damaligen Gesamtlage fest, dass die Polizei unter Anlegung einer ex-ante Betrachtung von einer beabsichtigten Teilnahme der Beschwerdeführer an der Sitzblockade habe ausgehen dürfen. Die Ingewahrsamnahme sei daher zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung möglich und rechtmäßig gewesen. Die Ingewahrsamnahme sei auch im Hinblick auf ihre Dauer und ihre Umstände rechtmäßig. Die Behandlung während des polizeilichen Gewahrsams und die Art und Weise der Unterbringung seien für die Frage der Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme grundsätzlich unbeachtlich. Anders sei dies nur dann zu bewerten, wenn aufgrund einer Gesamtschau aller Umstände so schwerwiegende Verstöße gegen verfassungsrechtlich geschützte Grundwerte vorlägen, dass die Freiheitsentziehung trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 18 NGefAG unverhältnismäßig erscheine. Besondere Umstände, die als Ausnahmefall die Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme begründen könnten, lägen nicht vor. Bloße Erschwernisse und Unbequemlichkeiten stellten die Rechtmäßigkeit der Ingewahrsamnahme noch nicht in Frage. Soweit die Beschwerdeführerin zu 4) erstmals in ihrer Anhörung von einer körperlichen Durchsuchung berichtet habe, führe dies ebenfalls nicht zu einer anderen Bewertung. Für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme sei das Landgericht nicht zuständig.
II.
1. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung von Art. 1, Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 und 2 GG.
Ihr Freiheitsgrundrecht sei verletzt, weil die Voraussetzungen von § 18 NGefAG nicht vorgelegen hätten. Sie hätten weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit von erheblicher Gefahr für die Allgemeinheit begangen oder zu begehen beabsichtigt. Die polizeiliche Gefahrenprognose wie auch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen beruhten allein auf Vermutungen, die als solche für die vorgenommene Einschätzung nicht tragfähig seien. Sie hätten sich bei ihrer Ingewahrsamnahme außerhalb der Zone befunden, für die das Versammlungsverbot bestanden habe. Es sei ihnen nur darum gegangen, sich zu informieren und die Geschehnisse aus eigener Anschauung wahrzunehmen. Eine Teilnahme an der Demonstration in Laase hätten sie nicht beabsichtigt.
Festzustellen sei, dass sich die Ingewahrsamnahme selbst bei unterstelltem Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen als unverhältnismäßig darstelle. Es hätte ausgereicht, ihnen das Betreten der Versammlungsverbotszone zu untersagen oder sie zur Umkehr aufzufordern. Dies sei noch nicht einmal versucht worden.
Die Ingewahrsamnahme stelle sich außerdem auch deshalb als willkürlich dar, weil die Sitzblockade erst in den frühen Morgenstunden kurzzeitig vollständig geräumt worden sei. Es verstoße gegen das Willkürverbot und das Rechtsstaatsprinzip, Personen im Vorfeld der möglichen Verletzung eines Versammlungsverbots in Gewahrsam zu nehmen, während sich Demonstrationsteilnehmer freiwillig entfernen konnten und andere gar nicht belangt worden seien.
Hinzu komme, dass die Ausgestaltung der Freiheitsentziehung, vor allem die Unterbringungsbedingungen, extrem unangenehm und demütigend gewesen sei und die Ingewahrsamnahme daher einer Ersatzbestrafung gleichgekommen sei. Die Beschwerdeführer nehmen bezüglich der allgemeinen Situation der Unterbringung in der Gefangenensammelstelle auf das Verfahren 2 BvR 447/05 und die Darstellung der dortigen Beschwerdeführerin Bezug.
Darüber hinaus sei der Richtervorbehalt verletzt worden. Schon mit der Information der Einsatzzentrale bei ihrer Ingewahrsamnahme hätte versucht werden müssen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Bereits wegen der im Parallelverfahren 2 BvR 447/05 geschilderten Organisationsmängel und der gezielten Überlastung der Gefangenensammelstelle hätte auf mildere Mittel, etwa ein Nachhauseschicken oder den in späteren Jahren praktizierten einfachen Streckenschutz zurückgegriffen werden müssen. Jedenfalls aber habe es an jeglichen Beschleunigungsbemühungen gefehlt, was mit dem Richtervorbehalt unvereinbar sei.
Zudem habe das Amtsgericht, bedingt durch die Übernahme der Ausführungen des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung daher auch zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht werde, eine persönliche Anhörung unterlassen, so dass insoweit eine Gehörsverletzung vorliege.
2. Den gemäß § 94 BVerfGG Äußerungsberechtigten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Land Niedersachsen sieht eine Grundrechtsverletzung nicht als gegeben an. Es hat sich weitgehend auf seine Stellungnahme im Verfahren 2 BvR 447/05 bezogen.
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführer angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig und - in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Weise - auch offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.
I.
Die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 2 GG.
Hinsichtlich der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts diesbezüglich entwickelten Maßstäbe, vor allem zur Gewährleistung des Richtervorbehalts, verweist die Kammer auf ihren Beschluss vom 13. Dezember 2005 (2 BvR 447/05 - Absatz-Nrn. 34 bis 40). Den sich aus diesen Maßstäben ergebenden Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht.
Während das Landgericht wie auch das Oberlandesgericht in den angegriffenen Beschlüssen die Frage, ob dem aus Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Gebot der unverzüglichen Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung über die von der Polizei angeordnete Freiheitsentziehung genügt worden ist, nicht ausdrücklich behandeln, verweist das Amtsgericht darauf, dass zur Nachtzeit ein richterlicher Bereitschaftsdienst nicht eingerichtet gewesen sei. Angesichts des Umstandes, dass die Ingewahrsamnahme der Beschwerdeführer um 23.28 Uhr erfolgte und - wie aus dem Verfahren 2 BvR 447/05 bekannt - der richterliche Bereitschaftsdienst beim Amtsgericht Dannenberg damals in dem Zeitraum von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr eingerichtet war -tatsächlich waren, wie dem Verfahren 2 BvR 447/05 entnommen werden kann, Richter bis etwa 22.00 Uhr in der Gefangenensammelstelle zugegen - ist diese Aussage zwar ohne weiteres nachvollziehbar. Sie lässt jedoch unberücksichtigt, dass, bedingt durch die Kenntnis des bevorstehenden Castor-Transports und die zu erwartenden Massendemonstrationen, ein Bedürfnis für die besondere Regelung des richterlichen Eildienstes auch zur Nachtzeit an diesen Tagen gegeben war. Unter Berücksichtigung der Vorkommnisse anlässlich des Castor-Transports im März 2001 die in der Allgemeinverfügung vom 27. Oktober 2001 enthaltene Gefahrenprognose nennt verschiedene Blockaden, die erst am Abend stattfanden - musste gerade im nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Transport mit Masseningewahrsamnahmen gerechnet werden, die nicht sämtlich zur Tageszeit sachgerecht bewältigt werden konnten. Daher konnte sich der richterliche Bereitschaftsdienst nicht auf die Tageszeit beschränken, sondern musste auch eine Regelung für die Nachtzeit beinhalten (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2005 - 2 BvR 447/05 -, Absatz-Nr. 47).
Die bislang getroffenen Feststellungen der Gerichte tragen auch nicht die Schlussfolgerung, dass selbst bei einem eingerichteten richterlichen Bereitschaftsdienst zur Nachtzeit eine Entscheidung des Amtsgerichts nicht rechtzeitig hätte herbeigeführt werden können.
II.
Die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführer ferner in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, soweit der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Art und Weise des Vollzuges des Gewahrsams zurückgewiesen wurde.
Wegen der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 4 GG entwickelten Maßstäbe zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes wird auf den Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2005 (2 BvR 447/05, Absatz-Nrn. 52 bis 54) Bezug genommen. Diesen werden die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen nicht gerecht.
Nach Ansicht der Fachgerichte ist die Art und Weise der Unterbringung im Rahmen der nachträglichen Überprüfung der Freiheitsentziehung grundsätzlich unbeachtlich. Nur wenn die Umstände der Unterbringung mit schwer wiegenden Verstößen gegen verfassungsrechtlich geschützte Grundwerte einhergehen, soll sich die Freiheitsentziehung trotz Vorliegens der allgemeinen Voraussetzungen des § 18 NGefAG als unverhältnismäßig darstellen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 25. Oktober 2004 - 16 W 145/04 -, Nds.Rpfl 2004, S. 348).
Soweit der Prüfungsmaßstab der Fachgerichte die Rechtsauffassung zum Ausdruck bringt, dass eine Prüfung der Art und Weise des Gewahrsamsvollzugs im Hinblick auf die Rechtswegzuweisung in § 19 NGefAG nicht möglich sei, fehlt es an der erforderlichen eingehenden Auseinandersetzung mit den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm ebenso wie mit der Frage, ob eine Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs in Betracht kommt. Der Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 NGefAG ist weit formuliert. Er ermöglicht die gerichtliche Feststellung, dass die Freiheitsbeschränkung rechtswidrig gewesen ist.
Eine Prüfung, ob den §§ 20 f. NGefAG, die die Behandlung festgehaltener Personen und die Dauer der Freiheitsbeschränkung regeln, Beachtung geschenkt wurde, ist nach diesem Wortlaut nicht ausgeschlossen. Unabhängig davon wäre im Übrigen zu prüfen, ob nicht im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte kraft Sachzusammenhangs auch für die Überprüfung des Vollzuges des Gewahrsams anzunehmen ist. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung wird dies in ähnlichen Zusammenhängen angenommen. So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der dem § 19 Abs. 2 NGefAG vergleichbaren Rechtswegregelung des Art. 17 Abs. 2 BayPAG ausgesprochen, dass das nach dessen Absatz 3 zuständige Amtsgericht wegen des engen Sachzusammenhangs auch für die Kontrolle freiheitsbeschränkender Maßnahmen, wie etwa einer persönlichen Durchsuchung, während einer Ingewahrsamnahme des Betroffenen zuständig ist, wenn diese zur Gewährleistung der Ordnung im Gewahrsam erforderlich sind (BayVGH, Urteil vom 25. Oktober 1988 - 21 B 88.01491 -, NJW 1989, S. 1754 f.). Ferner hat der Bundesgerichtshof gerade im Hinblick auf die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG entschieden, dass für die Überprüfung der Art und Weise des Vollzuges einer nach § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO nichtrichterlich angeordneten abgeschlossenen Durchsuchung der Betroffene entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO die richterliche Entscheidung beantragen kann (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1998 - 5 AR (VS) 2/98 -, NStZ 1999, S. 200 <201 f.>; Beschluss vom 5. August 1998, - 5 ARs (VS) 2/98 -, NStZ 1999, S. 151 f.; Beschluss vom 25. August 1999 - 5 AR (VS) 1/99 -, NJW 1999, S. 3499 f.). Schließlich hat auch das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit einer behördlich angeordneten Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Durchführung einer Abschiebung entschieden, es entspreche im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG einer sinnvollen Ordnung der Rechtswege, dass über einen einheitlichen Lebenssachverhalt möglichst nur in einem Rechtsweg entschieden werde (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1981 -IC 93/76 -, NJW 1982, S. 536 f.).
Infolge des verengten Prüfungsmaßstabes haben die Gerichte das Rechtsschutzbegehren der Beschwerdeführer nur unzureichend erfasst. Die Beschwerdeführer haben gerügt, dass die Art und Weise des Vollzuges des Gewahrsams einer Ersatzbestrafung gleichgekommen sei. Diesem Vorbringen ist immanent, dass bessere Bedingungen des Vollzuges durch eine sachgerechte Planung, eine bessere Organisation und Koordinierung wie auch durch eine anderweitige Unterbringung möglich gewesen seien. Den damit von den Beschwerdeführern in tatsächlicher Hinsicht aufgeworfenen Fragen sind die Gerichte nicht nachgegangen. Ihnen hätte es oblegen, die Gründe für die Auswahl des Standorts der Gefangenensammelstelle, deren Kapazitätsgestaltung und die Frage einer zureichenden Ausstattung ausgehend von einer ex-ante Sicht zu ermitteln und unter Berücksichtigung der behördlicherseits geltend gemachten Belange sowie behördlicher Prognose- und Ermessensspielräume zu würdigen. Hierbei ist auch erheblich, ob bei sich andeutenden Überlastungen alternative Unterbringungsmöglichkeiten bestanden und solche in Betracht gezogen wurden. Dabei wäre eine konkrete Analyse der vorgebrachten Beanstandungen unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit und Vermeidbarkeit vorzunehmen gewesen. Im Übrigen hat es das Landgericht wegen seines verengten Prüfungsmaßstabes auch unterlassen, sich in der Sache mit der von der Beschwerdeführerin zu 4) gerügten Rechtswidrigkeit der körperlichen Durchsuchung anlässlich ihrer Gewahrsamnahme auseinanderzusetzen.
III.
Auf die weiteren von den Beschwerdeführern vorgebrachten Rügen kommt es nach alledem nicht an.
Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 2 GG sowie von Art. 19 Abs. 4 GG festzustellen. Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichtssind unter Zurückverweisung der Sache an das Landgericht aufzuheben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 33 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Broß | Lübbe-Wolff | Gerhardt |