BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 422/94 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn S...
Lagemannstraße 30, Freudenberg -
gegen 1. | Art. 12 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr - Tarifaufhebungsgesetz - vom 13. August 1993 (BGBl I S. 1489), soweit damit §§ 21 bis 31 d des Binnenschiffsverkehrsgesetzes aufgehoben wurden, |
2. | Art. 12 Satz 2 Nr. 12 und 16 Tarifaufhebungsgesetz |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Papier
und die Richter Steiner,
Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. November 2000 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Aufhebung der Tarife im Binnenschiffsverkehr.
I.
Der Beschwerdeführer ist Schiffseigner und selbständiger Schiffsführer. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet er sich gegen mehrere Bestimmungen des Gesetzes zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr, die die Aufhebung des Tarifsystems im Bereich der Binnenschifffahrt regeln. Er rügt vorrangig die Verletzung der Art. 12, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist von der 3. Kammer des Ersten Senats durch Beschluss vom 14. Juni 1994 zurückgewiesen worden.
1. Das bis Ende 1993 geltende Binnenschifffahrtsrecht sah verbindliche Entgelte für Verkehrsleistungen der deutschen Binnenschifffahrt vor, sofern diese ganz oder im Falle einer durchgehenden Beförderung streckenweise auf Bundeswasserstraßen erbracht wurden (siehe § 21 des Binnenschiffsverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Januar 1969 <BGBl I S. 65>, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. Dezember 1990 <BGBl I S. 2579>, im Folgenden: BinSchVG). Die Entgelte sollten nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BinSchVG a.F. marktgerecht sein und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Unternehmer der Schifffahrt Rechnung tragen. Sie wurden durch Frachtenausschüsse, die mit Vertretern der Schifffahrt und der Verlader besetzt waren, festgesetzt und vom Bundesminister für Verkehr genehmigt (§ 28 Abs. 1 BinSchVG). Sodann wurden die Entgelte, unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Mitwirkung der Frachtenausschüsse, als Rechtsverordnung beschlossen (§§ 29 Abs. 1, 30 BinSchVG). Die Überwachung der Einhaltung der so erlassenen Verordnungen oblag den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen (§ 31 a BinSchVG).
2. Zum 1. Januar 1994 ist das Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterfernverkehr (Tarifaufhebungsgesetz - TAufhG - vom 13. August 1993, BGBl I S. 1489) in Kraft getreten (vgl. Art. 12 Satz 1 TAufhG). Ziel der Neuregelungen ist die Ausweitung der Liberalisierung des Güterverkehrs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf den Binnenverkehr, da die Märkte für den nationalen und grenzüberschreitenden Verkehr mehr und mehr verflochten sind. Die nationalen Ordnungsvorschriften sollen an die EG-Regelungen angeglichen werden. Daneben soll die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Transportgewerbes gesichert werden. Eingeführt wird die freie Preisbildung bei den Beförderungsentgelten; die bisher obligatorischen Tarife werden aufgehoben.
Für den Binnenschiffsverkehr bestimmt Art. 12 Satz 2 Ziff. 1 TAufhG, dass mit dem In-Kraft-Treten des Tarifaufhebungsgesetzes das Binnenschiffsverkehrsgesetz außer Kraft tritt. Zugleich tritt nach Art. 12 Satz 2 Ziff. 12 TAufhG die Verordnung über die Überwachung der festgesetzten Entgelte für Verkehrsleistungen und die Erhebung von Beiträgen in der Binnenschifffahrt außer Kraft; dasselbe gilt nach Art. 12 Satz 2 Ziff. 13 TAufhG für die Verordnung über die Errichtung von erweiterten Frachtenausschüssen der Binnenschifffahrt und nach Art. 12 Satz 2 Ziff. 16 für die Verordnungen über die Festsetzung von Entgelten für Verkehrsleistungen der Binnenschifffahrt.
3. Der Beschwerdeführer hat seine Ausbildung im Binnenschifffahrtswesen absolviert und seine gesamte berufliche Tätigkeit dort ausgeübt. Seit 1990 betreibt er als Schiffseigner und selbständiger Schiffsführer das Partikuliergewerbe in der Binnentankschifffahrt.
Mit der am 3. März 1994 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen Art. 12 Satz 2 Nr. 1 TAufhG insoweit, als dadurch die §§ 21 bis 31 d des Binnenschiffsverkehrsgesetzes aufgehoben worden sind, gegen Art. 12 Satz 2 Nr. 12 TAufhG und gegen Art. 12 Satz 2 Nr. 16 TAufhG. Er beantragt,
1. das Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr (Tarifaufhebungsgesetz) vom 13. August 1993 (BGBl I S. 1489) wegen Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1, 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und aus Art. 19 Abs. 1 GG insoweit für verfassungswidrig und gegebenenfalls für nichtig zu erklären, als es sich um die nachstehend bezeichneten Bestimmungen dieses Gesetzes handelt:
- Art. 12 Satz 2 Nr. 1, jedoch nur insoweit, als durch diese Bestimmungen (auch) die §§ 21 bis 31 d des Binnenschiffsverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Januar 1969 (BGBl I S. 65), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 5. Dezember 1990 (BGBl I S. 2579), aufgehoben worden sind;
- Art. 12 Satz 2 Nr. 12 und Nr. 16;
2. hilfsweise : den Gesetzgeber - die zuständigen Gesetzgebungsorgane des Bundes - zu verpflichten, das angefochtene Gesetz durch eine Überleitungsregelung zu ergänzen, die geeignet ist, die mit der Tarifaufhebung im Bereich der Binnenschifffahrt für die Partikuliere verbundenen Härten, soweit diese die Partikuliere unzumutbar treffen, angemessen zu mildern.
Gerügt wird eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und Art. 19 Abs. 1 GG. Zur Begründung trägt der Beschwerdeführer im Wesentlichen Folgendes vor:
Auf Grund der angefochtenen Regelungen des Tarifaufhebungsgesetzes sei er nicht mehr in der Lage, sein Unternehmen wirtschaftlich zu führen. Er habe die in seinem Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter bereits weitgehend entlassen und werde sein Unternehmen stilllegen sowie seinen Beruf aufgeben müssen. Die seit Anfang 1994 frei verhandelbaren und erzielten Beförderungsentgelte seien gegenüber den tarifgebundenen Entgelten in einer Weise gesunken, dass eine Kostendeckung meist nicht erreicht werde. Kostendeckende Frachtraten würden nicht mehr erzielt, weil sich die Befrachter gegenseitig bis zum Ruin unterböten, um Aufträge zu bekommen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine einheitliche und umfassend liberalisierte Marktordnung für die europäische Binnenschifffahrt bisher nicht bestehe. Das in den Niederlanden, Belgien und Frankreich praktizierte Tour-de-Rôle-System, das neben einer Frachtzuteilung auch ein obligatorisches Tarifbildungsverfahren enthalte, sei bislang nicht aufgehoben worden. Da die wettbewerbsbeeinträchtigenden Bestimmungen in Nachbarländern nicht zeitgleich mit dem Tarifaufhebungsgesetz entfallen seien, nehme dieses Gesetz der deutschen Binnenschifffahrt die Wettbewerbsfähigkeit vollends.
Art. 14 GG umfasse den Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes. Das Tarifaufhebungsgesetz führe zu einer äußerst weit gehenden Einschränkung der eigentumsrechtlich geschützten Position der Inhaber der Schiffsbetriebe, weil deren Wert und Nutzung erheblich ausgehöhlt würden. Der gesetzgeberische Eingriff entziehe seinem Unternehmen die erforderlichen Grundlagen für eine Fortführung im Rahmen wirtschaftlich sinnvollen Handelns, so dass die Substanz des Betriebes betroffen sei. Seit der Tarifaufhebung sei ein Partikulierbetrieb praktisch nicht mehr verkäuflich. Sichere Geschäftsbeziehungen mit standardisiertem Preisniveau seien weitgehend beseitigt. Der Gesetzgeber halte sich jedenfalls dann nicht innerhalb der Grenzen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung, wenn seine Maßnahmen dazu führten, dass die im Unternehmen investierten Betriebsmittel in ihrer spezifischen Zweckbestimmung und Ausrichtung weitgehend entwertet würden. Sein wirtschaftliches Ende sei vorgezeichnet. Die Beeinträchtigung seiner Rechtsposition stehe zu dem Zweck des Tarifaufhebungsgesetzes in keinem angemessenen Verhältnis.
Im Übrigen führten die angegriffenen Regelungen des Tarifaufhebungsgesetzes auch dazu, dass das Kapitänspatent, das ein vermögenswertes subjektives Recht öffentlichrechtlicher Natur sei, entwertet werde.
Art. 12 GG sei ebenfalls verletzt. Der besondere Freiheitsraum, den das Grundrecht sichern wolle, könne auch durch Vorschriften berührt werden, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet seien, die Freiheit der Berufswahl mittelbar zu beeinträchtigen. Auch gesetzliche Vorschriften ordnungspolitischen Inhalts könnten solche Wirkungen nach sich ziehen. Die angegriffenen Vorschriften des Tarifaufhebungsgesetzes beschränkten seine Freiheit der Berufswahl, weil er angesichts der nicht hinreichend harmonisierten Wettbewerbsbedingungen des europäischen Verkehrsmarktes faktisch gezwungen werde, seinen Beruf aufzugeben.
Ein solcher Eingriff sei nur dann verfassungsmäßig, wenn er zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes zwingend geboten sei. Die Tarifaufhebung diene nicht dem Schutz eines solchen Gemeinschaftsgutes. Der Gesetzgeber habe im Übrigen Alternativen, die die mit der Tarifaufhebung verfolgten Ziele gleichermaßen oder besser hätten erreichen können, nicht hinreichend diskutiert. Die Prognose, dass mit der Tarifaufhebung die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Transportgewerbes erhalten werde, sei äußerst zweifelhaft. Entgegen seiner eigenen Zwecksetzung gefährde das Tarifaufhebungsgesetz in seinen wirtschaftlichen Auswirkungen die Existenz der Partikuliere.
Das Gesetz enthalte keine Übergangsregelung, die der Gesetzgeber jedoch zur Milderung der verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Härten hätte treffen müssen.
Die angegriffenen Regelungen verletzten auch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip. Sie entfalteten "unechte Rückwirkung". Ein Partikulier treffe für sein Unternehmen Dispositionen mit langfristigen Auswirkungen, z.B. Schiffserwerb, Kreditaufnahmen oder Hypothekenbestellungen. Er müsse darauf vertrauen können, dass seine Dispositionen nicht massiv durchkreuzt und entwertet würden.
4. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat sich zur Verfassungsbeschwerde wie folgt geäußert:
Die Verfassungsbeschwerde sei mangels Grundrechtsverstoßes unbegründet. Die Konstellation des Falls sei überraschend: Es läge nahe, das Vorhandensein von Tarifbestimmungen als unzulässige Einschränkung der Berufsausübung und als verbotenen Eingriff in den Betrieb anzugreifen. Hier werde umgekehrt gerügt, die Aufhebung von Vorschriften, die die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit eingrenzten, sei ein Grundrechtsverstoß. Letztlich werde damit behauptet, die Verfassung fordere vom Gesetzgeber, jedem Binnenschiffer durch Tarifbestimmungen ein verlässliches Einkommen zu sichern. Davon könne keine Rede sein. Der Gesetzgeber habe das Recht, den Wettbewerb rechtlich zu strukturieren. Zu diesem Zweck könne er, vorausgesetzt, höherrangiges Recht lasse dies auf der nationalen Ebene zu, Tarifbindungen verfügen. Er könne sie aber auch aus sachlichen Erwägungen heraus aufheben.
Die Freiheit von wettbewerbsbeschränkenden Vorschriften sei die Regel und rechtliche Bindungen seien die Ausnahme. Wenn der Gesetzgeber einen Wirtschaftsbereich in den freien Wettbewerb entlasse, komme er damit grundsätzlich der Idee des sich in einer sozial gebundenen, im Übrigen aber freien Marktwirtschaft entfaltenden Individuums näher, als wenn er das Gegenteil täte. Im vorliegenden Fall habe der Gesetzgeber eine umfangreiche, die verkehrs-, wirtschafts-, struktur- und nicht zuletzt häfenpolitischen Aspekte berücksichtigende Abwägung getroffen.
5. Für die Bundesregierung hat das Bundesministerium für Verkehr wie folgt Stellung genommen:
Die Verfassungsbeschwerde sei offensichtlich unbegründet. Dem Beschwerdeführer werde durch die Tarifaufhebung keine wirtschaftliche Aktivität verboten. Selbst wenn in den Wirkungen des Tarifaufhebungsgesetzes eine Grundrechtsbetroffenheit gesehen werden könnte, sei diese allenfalls eine indirekte Folge einer sachlich zu rechtfertigenden Wirtschaftspolitik. Es fehle am Tatbestandsmerkmal des zielgerichteten "Eingriffs" in ein Grundrecht.
Ein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit liege nicht vor. Das Tarifaufhebungsgesetz diene der Aufhebung wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Regelungen zur Preisbildung. Es bezwecke, die Güterverkehrsmärkte von starren Tarifstrukturen zu befreien und dadurch den Wettbewerb der Transportunternehmer untereinander zu fördern sowie die Effizienz des Transportsektors insgesamt zu verbessern. Die Freigabe der Preisbildung sei weder dazu bestimmt, Berufswahl oder -ausübung zu regeln, noch stehe sie in einem engen Zusammenhang hierzu. Das Risiko, sich am Markt zu behaupten, trage jeder Anbieter von Transportleistungen selbst.
Auch ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG liege nicht vor. Hoffnungen und Chancen, etwa das Vertrauen eines Unternehmens auf eine günstige Gesetzeslage, seien verfassungsrechtlich nicht geschützt.
Auch der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes führe zu keiner anderen Beurteilung der Belange des Beschwerdeführers. Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Verwirklichung eines gemeinsamen Verkehrsmarktes aus dem Jahre 1985 und den darauf folgenden Beschlüssen des Verkehrsministerrates sei erkennbar gewesen, dass sich die Marktordnungen grundlegend ändern würden. Zeitgleich mit dem auch in der Fachpresse ausführlich behandelten Beschluss der Koalition im Juni 1991, die Tarife 1994 aufzuheben, seien die Frachtenausschüsse vom Bundesministerium für Verkehr gebeten worden, die Tarife mit Blick auf diese Tarifaufhebung flexibler zu gestalten. Dies habe schon damals zu einer erheblichen Ausweitung der frei aushandelbaren Margen bei den festgesetzten Tarifen geführt. Der Entwurf eines Tarifaufhebungsgesetzes sei den Binnenschifffahrtsverbänden 1992 zugeleitet worden. Das Gesetz sei nach ausführlicher parlamentarischer Beratung am 19. August 1993 verkündet worden.
II.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt ihr nicht zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Soweit die Verfassungsbeschwerde Fragen der Berufs- und Eigentumsfreiheit aufwirft, sind diese durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Denn die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist in erster Linie das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
a) Art. 12 GG schützt die freie Berufswahl und freie Berufsausübung. Die Berufsfreiheit umfasst jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient (vgl. BVerfGE 7, 377 <397 f.>; 54, 301 <313>; 97, 228 <252 f.>; stRspr). Der Beschwerdeführer übt den Beruf des Partikuliers im Binnenschifffahrtsverkehr aus.
Die angegriffenen Regelungen berühren den Schutzbereich insoweit, als sie eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 70, 191 <214>; 81, 108 <121 f.>; 95, 267 <302>; stRspr). Hierfür genügt es, dass eine Norm die Berufstätigkeit zwar selbst unberührt lässt, aber im Blick auf den Beruf die Rahmenbedingungen verändert, unter denen er ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>). So liegt es hier. Wie ursprünglich die Tarifbindung der im Binnenschifffahrtsverkehr tätigen Personen und Unternehmen hat auch ihre Aufhebung hinreichenden Berufsbezug. Zweck der Regelung ist eine Marktneuordnung unter Berücksichtigung der europäischen Entwicklung und der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einschätzung über die angemessenen Bedingungen der Wettbewerbsfähigkeit (vgl. den parallelen Beschluss der Kammer vom 29. November 2000 - 1 BvR 2162/93 -). Der Gesetzgeber hatte die Tarifbindung in der Vergangenheit nach eigener wirtschaftspolitischer Einschätzung geschaffen, ohne dazu verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen zu sein. Nunmehr hat er sich unter Nutzung seines Freiraums bei der Bestimmung wirtschaftspolitischer Ziele und bei der Beurteilung der zu ihrer Verfolgung geeigneten Maßnahmen sowie unter Respektierung der europäischen Entwicklung entschieden, die beruflichen Rahmenbedingungen der Verkehrsunternehmen in Richtung auf eine Liberalisierung zu verändern. Darin liegt ein hinreichender Berufsbezug.
b) Ob die Regelungen auch einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG enthalten, kann dahin stehen. Sie beseitigen zunächst einen bisherigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Verkehrsunternehmen und stellen sie von Bindungen frei. Der Bereich ihrer grundrechtlichen Freiheitsausübung wird daher erweitert. Dies wirkt für den Beschwerdeführer allerdings belastend, da er nunmehr in Konkurrenz mit anderen tritt, die für die gleichen Leistungen geringere Entgelte als bisher erheben dürfen. Die bisher die Entgelthöhe sichernden Normen stellten eine Lenkung der Berufsausübung dar. Werden sie beseitigt, so ist auch dies eine Regelung der Berufsausübung.
c) Die Aufhebung der marktlenkenden Normen ist jedenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Art. 12 Abs. 1 GG zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung (vgl. BVerfGE 34, 252 <256> m.w.N.). Ist der gesetzgeberische Anlass für eine Regelung der Berufsausübung entfallen, entspricht ihre Aufhebung dem Schutzauftrag des Art. 12 Abs. 1 GG und ist regelhaft durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geboten. Das Grundgesetz kennt ein subjektives verfassungskräftiges Recht auf die Erhaltung des durch Berufsregelungen abgesicherten Geschäftsumfanges und weiterer Erwerbsmöglichkeiten nicht (vgl. BVerfG, a.a.O., m.w.N.).
2. Das Grundrecht der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) ist nicht berührt. Die Eigentumsfreiheit schützt den konkreten Bestand an vermögenswerten Gütern vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt (vgl. BVerfGE 31, 229 <239>). Bloße (Umsatz- und Gewinn-)Chancen und tatsächliche Gegebenheiten sind aus dem Schutzbereich dieser Norm ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 68, 193 <222 f.>; 77, 84 <118>). Die Aufrechterhaltung eines bestimmten Geschäftsumfangs in Form einer bestimmten Marktstellung wird vom Grundrecht der Eigentumsfreiheit nicht geschützt (vgl. BVerfGE 77, 84 <118>). Es gewährt daher dem Beschwerdeführer keinen Schutz davor, sich im Wettbewerb behaupten zu müssen und gegebenenfalls Kunden an konkurrierende Unternehmen zu verlieren, die niedrigere Entgelte verlangen.
Die Eigentumsfreiheit des Beschwerdeführers wird auch nicht durch die vom ihm behauptete Entwertung des Kapitänspatents berührt. Er ist nicht daran gehindert, seine Tätigkeit als selbständiger Schiffsführer unter weiterer Ausnutzung des Kapitänspatents fortzuführen.
3. Schließlich kann dahin stehen, ob der Beschwerdeführer eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes erworben hat, die zumindest eine Übergangsregelung erforderlich gemacht hätte. Übergangsregelungen können im Zusammenhang von Neuregelungen aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten sein (vgl. BVerfGE 50, 265 <273 ff.>; 64, 72 <83 f.>; 72, 175 <196>). Im vorliegenden Fall konnte ein Verkehrsunternehmen allerdings nicht darauf vertrauen, dass das System der Tarifpflicht und Tarifkontrolle auf Dauer aufrechterhalten bleiben würde. Der zeitliche Vorlauf der Neuregelung betrug - wie die Bundesregierung ausgeführt hat - mehrere Jahre und war dementsprechend hinreichend lang, um sich darauf einstellen zu können. Mit Blick auf die absehbare Aufhebung der Tarife haben die Frachtenausschüsse auf die Bitte des Bundesministeriums für Verkehr hin schon 1991 die Tarife flexibler gestaltet; dies hatte schon seinerzeit zu einer erheblichen Ausweitung der frei aushandelbaren Margen bei den festgesetzten Tarifen geführt. Da eine Neuregelung seit langem absehbar war, erforderte der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine besonderen Übergangsmaßnahmen zugunsten der Verkehrsunternehmen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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