Bundesverfassungsgericht
- 1 BvR 961/99 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
- der mdj. M...,
- der Frau M...,
- des Herrn M...
gegen | die Weigerung der Stadt
Heidelberg, einer in der städtischen Kindertagesstätte Adolf-Engelhardt-Str. 6, Kirchheim-West, tätigen türkischen Anerkennungsprakti- kantin muslimischen Glaubens das Tragen eines Kopftuches im Dienst zu verbieten, und Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den
Vizepräsidenten Papier
und die Richter Grimm,
Hömig
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473)
am 22. Juni 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß
einer einstweiligen Anordnung.
Gründe:
I.
Die mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Weigerung des Trägers einer städtischen Kindertagesstätte, in der die Beschwerdeführerin zu 1 ganztägig betreut wird, einer dort beschäftigten türkischen Anerkennungspraktikantin muslimischen Glaubens das Tragen eines Kopftuchs während der Arbeit zu verbieten.
Die Beschwerdeführer sehen in der Betreuung der Beschwerdeführerin zu 1 durch die kopftuchtragende Praktikantin eine Verletzung ihrer Grundrechte, insbesondere ihres Rechts aus Art. 4 Abs. 1 GG.
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde mangels Rechtswegerschöpfung gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG unzulässig ist.
Die Beschwerdeführer haben mit ihrem Begehren Klage erhoben, die nach Verweisung durch das Amtsgericht nunmehr beim Verwaltungsgericht anhängig ist. Das Verfahren dort ist noch nicht abgeschlossen, so daß die Beschwerdeführer den Rechtsweg bisher nicht erschöpft haben.
Eine Ausnahme vom Gebot der Rechtswegerschöpfung gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kommt nicht in Betracht. Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde, wie er in diesem Gebot zum Ausdruck kommt, soll sicherstellen, daß verfassungsrechtlich relevante Tatsachen- und Rechtsfragen durch die allgemein zuständigen Gerichte hinreichend vorgeklärt werden (vgl. BVerfGE 56, 54 <69>; 79, 1 <20>). Das ist vorliegend insbesondere deshalb unverzichtbar, weil der Verfassungsbeschwerde die konkreten Umstände der geltend gemachten Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin zu 1 durch die Betreuung seitens der kopftuchtragenden Praktikantin nicht zu entnehmen sind.
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß es für die Beschwerdeführer unzumutbar sein könnte, zunächst den Rechtsweg zu erschöpfen (vgl. BVerfGE 55, 154 <157>; 79, 1 <20>). Dafür, daß die Klage der Beschwerdeführer offensichtlich aussichtslos sein könnte, ist nichts ersichtlich. Auch ist nicht auszuschließen, daß eine den Beschwerdeführern günstige Entscheidung noch vor Ablauf des Praktikums Ende August 1999 ergeht. Zudem steht den Beschwerdeführern auch die Möglichkeit zur Verfügung, vor dem Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen. Die Beschwerdeführer können auf diesem Wege auch vor einer Erledigung ihres Hauptsachebegehrens durch Zeitablauf effektiven Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren erlangen.
2. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier | Grimm | Hömig |