BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1282/91 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Firma P...
Virchowstraße 25, Nürnberg -
1. unmittelbar gegen
a) | das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 12. Juli 1991 - 3 U 1447/91 -, |
b) | das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. März 1991 - 3 O 4290/90 UrhR -, |
2. mittelbar gegen
§ 54 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 6 Satz 1 des Gesetzes
über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte
(Urheberrechtsgesetz) in der Fassung des Gesetzes vom 24.
Juni 1985 (BGBl I S. 1137)
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Seidl
und die Richter Hömig,
Steiner
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 20. Oktober 1996 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin bietet in ihren Filialen die Anfertigung von Fotokopien gegen Entgelt an. Sie wendet sich gegen zivilgerichtliche Urteile, die sie verpflichten, der Verwertungsgesellschaft WORT (VG WORT) Auskunft über Art und Anzahl der Kopiergeräte zu geben, um ihre Inanspruchnahme zur urheberrechtlichen Betreibervergütung vorzubereiten. Die Vorschriften über die Betreibervergütung in § 54 Abs. 2 Satz 2 des Urheberrechtsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juni 1985 (BGBl I S. 1137) - UrhG a.F. - verletzten sie in ihren Grundrechten und seien verfassungswidrig.
II.
Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist die Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin angezeigt.
1. Die Rügen der Verfassungsbeschwerde sind zum Teil unzulässig. Die Regelung über die Geltendmachung der Vergütungsansprüche durch eine Verwertungsgesellschaft (§ 54 Abs. 6 Satz 1 UrhG a.F.) wird von der Beschwerdeführerin angegriffen, weil sie die Grundrechte der Urheber beschneide. Die Beschwerdeführerin macht damit nicht geltend, durch die Regelung in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Die Verwertungsgesellschaftspflicht mag zwar in die Handlungsfreiheit der Urheber - allerdings in deren Interesse - eingreifen, berührt aber nicht das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 GG.
Auch die Rüge, Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die Zivilgerichte den Tarif der VG WORT nicht beanstandet hätten, ist nicht zulässig. Landgericht und Oberlandesgericht haben sich zwar mit den Einwänden der Beschwerdeführerin wegen vermeintlich falscher oder fehlender Differenzierungen im Tarif auseinandergesetzt. Die angegriffenen Urteile beschränken sich jedoch auf die Entscheidung über den Auskunftsanspruch. Die Ausführungen über den Tarif der VG WORT waren für die Verurteilung zur Auskunft nicht tragend. Die Aufschlüsselung der Kopiergeräte in vier verschiedene Leistungsklassen ergibt sich nicht erst aus dem Tarif der VG WORT, sondern bereits aus dem Gesetz (Anlage zu § 54 Abs. 4 UrhG a.F.). Die Angemessenheit des Tarifs ist erst im Verfahren über den von der VG WORT mit dem zweiten Klagantrag geltend gemachten Zahlungsanspruch entscheidungserheblich.
2. In der Sache ist eine Verletzung von Grundrechten nicht erkennbar.
a) Die Beschwerdeführerin wird insbesondere nicht in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) oder in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt. Die Pflicht zur Zahlung der Betreibervergütung nach § 54 Abs. 2 Satz 2 UrhG a.F. ist verhältnismäßig.
b) Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit die Beschwerdeführerin sich in ihrem Eigentumsgrundrecht verletzt sieht, offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, es sei denn, sie belasteten den Betroffenen übermäßig und beeinträchtigten ihn grundlegend in seinen Vermögensverhältnissen (vgl. BVerfGE 75, 108 <154>; 81, 108 <122>). Nachdem die Betreibervergütung gesetzlich für jede DIN-A4-Seite der Ablichtung auf 2 Pfennige oder bei Schulbuchvorlagen auf 5 Pfennige festgelegt ist (Anlage zu § 54 Abs. 4 UrhG a.F.), kann davon nicht die Rede sein. Zu bedenken ist zudem, daß die urheberrechtliche Vergütungspflicht den Betreiber nicht als öffentliche Abgabe trifft, sondern durch ihn ermöglichte Eingriffe in das Verwertungsrecht des Urhebers auf der Ebene des Privatrechts ausgleichen soll (vgl. BVerfGE 31, 255 <265>).
Die Beschwerdeführerin wird durch die Pflicht zur Zahlung der Betreibervergütung auch nicht in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit verletzt. Als Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit schützt Art. 2 Abs. 1 GG auch die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr (vgl. BVerfGE 73, 261 <270>). Der Gesetzgeber ist jedoch befugt, ordnend und klärend in das Wirtschaftsleben einzugreifen, und kann in diesem Zusammenhang auch Geldleistungen auferlegen (vgl. BVerfGE 18, 315 <329>). Solche Zahlungspflichten berühren zwar die wirtschaftliche Freiheit, sie verletzen aber nicht den durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Bereich, wenn den Betroffenen ein angemessener Spielraum verbleibt, sich wirtschaftlich frei zu entfalten. Dieser Spielraum ist gegeben, soweit die Zahlungspflicht verhältnismäßig ist.
Das ist bei der Betreibervergütung nach § 54 Abs. 2 Satz 2 UrhG a.F. der Fall. Zweck der Regelung ist es, angesichts der massenhaften Zunahme des Fotokopierens urheberrechtlich geschützter Werke den Urheber wirtschaftlich angemessen an dieser auch qualitativ neuen Nutzung seiner Werke zu beteiligen (Begründung des Regierungsentwurfs, BRDrucks 370/82, S. 8). Ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet war, eine Vergütung für das Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke einzuführen (offengelassen in BVerfGE 79, 1 <25>; dafür Kreile in: Festschrift für Peter Lerche, 1993, S. 251, 265 f.; vgl. auch: Kirchhof in: Festschrift für Wolfgang Zeidler, 1987, S. 1639, 1656 f.), kann offenbleiben. Jedenfalls verfolgt er ein legitimes Ziel angesichts der hohen Zahl von Fotokopien. So wurden 1983 rund 25,5 Milliarden Fotokopien in der Bundesrepublik Deutschland gefertigt, von denen mindestens 2,4 Milliarden Fotokopien (9,5 %) von urheberrechtlich geschützten Vorlagen stammten (Melichar, ZUM 1987, S. 51, 54).
In Kombination mit der Gerätevergütung stellt die Betreibervergütung ein geeignetes Mittel dar, die Vergütungsansprüche der Urheber zu realisieren. Das zeigen nicht zuletzt die Äußerungen der Urheber und der Vergütungspflichtigen im Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen der Urheberrechtsnovelle 1985 (BTDrucks 11/4929, S. 13 f.). Durch den Abschluß von Gesamtverträgen und die Aufstellung von Tarifen für die einzelnen Bereiche durch die VG WORT sind die Voraussetzungen für eine praktikable Zahlung der Vergütungen geschaffen (Melichar, ZUM 1987, S. 51 ff.).
Die Kombination von Geräte- und Betreibervergütung ist erforderlich, um einerseits mit geringem Verwaltungsaufwand eine Grundvergütung für alle verwendeten Kopiergeräte einzuziehen, andererseits dem überdurchschnittlich hohen Anteil urheberrechtlich geschützter Vorlagen in Bildungs- und Forschungseinrichtungen, öffentlichen Bibliotheken und Kopierläden durch die zusätzliche Betreibervergütung Rechnung zu tragen.
Die Beeinträchtigung durch die Betreibervergütung steht nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck. Die Belastung ist nicht hoch zu veranschlagen, zumal die vom Gesetzgeber als angemessen angesehene Vergütung von 2 Pfennigen pro Seite von der VG WORT in der Praxis wegen Pauschalierungen und Rabatten beim Inkasso nicht durchgesetzt wird (BTDrucks 11/4929, S. 20). Außerdem kann die Beschwerdeführerin sie auf ihre Kunden, d.h. die Werknutzer, abwälzen.
Die Beschwerdeführerin sieht sich übermäßig belastet, weil sie sich von der Betreibervergütung nicht befreien kann, indem sie ihre Kunden durch Hinweise zur Beachtung fremder Urheberrechte verpflichtet. Dabei beruft sie sich auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vor dem Inkrafttreten der Urheberrechtsnovelle 1985. Der Bundesgerichtshof hatte die Aufsteller von Kopiergeräten für verpflichtet gehalten, im Rahmen des Zumutbaren geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch die eine Verletzung der Vervielfältigungsrechte der Urheber soweit wie möglich verhindert werden konnte (GRUR 1984, S. 54, 55). Dazu rechnete er deutlich sichtbare Hinweise auf die Verpflichtung der Kunden zur Beachtung fremder Urheberrechte. Eine generelle Kontrollpflicht könne dem Unternehmer im allgemeinen nicht zugemutet werden, weil die Einsicht in möglicherweise vertrauliche Unterlagen der Kunden deren persönliche Freiheitsrechte berühren könne. Solche Kontrollen könnten die Kunden veranlassen, auf andere Kopierläden auszuweichen, und so die gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers beeinträchtigen (a.a.O., S. 55 f.).
Die Schwierigkeiten der Einzelerfassung rechtfertigen gerade die generelle Vergütungspflicht der Betreiber von Kopiergeräten in den in § 54 Abs. 2 Satz 2 UrhG a.F. genannten Bereichen. Auf das Reformvorhaben hatte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil bereits hingewiesen (a.a.O., S. 56). Der Gesetzgeber war nicht gehalten, es beim früheren Rechtszustand zu belassen. Die Beschwerdeführerin weist selbst darauf hin, daß trotz der Warnhinweise auch in ihren Geschäftslokalen immer wieder geschützte Werke unberechtigterweise kopiert wurden.
Die Verhältnismäßigkeit der Vergütung im Einzelfall ist durch § 54 Abs. 2 Satz 3 UrhG a.F. gewährleistet. Danach bemißt sich die Höhe der insgesamt geschuldeten Vergütung nach der Art und dem Umfang der Nutzung des Gerätes, die nach den Umständen, insbesondere dem Standort und der üblichen Verwendung, wahrscheinlich ist. Dementsprechend differenziert der Tarif der VG WORT und verlangt für Kopiergeräte in Läden des Einzelhandels, deren Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb des Lohnkopierbereichs liegt, wesentlich geringere Beträge als für Geräte in Kopierläden (insoweit abgedruckt in: ZUM 1989, S. 533). Dem Betreiber steht der Gegenbeweis über die tatsächliche Anzahl der vergütungspflichtigen Kopien offen (BTDrucks 10/3360, S. 20; Loewenheim in: Schricker, Urheberrecht, 1987, § 54 Rn. 18; Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 8. Aufl., § 54 Rn. 6). Dafür allerdings müßte er für eine Stichprobenzeit umfassende Kontrollen vornehmen und der VG WORT Überstücke der Kopien vorlegen (Nordemann, a.a.O., Rn. 6).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Seidl | Hömig | Steiner |